eSport Rhein-Neckar: „Viele kennen nur die Glanzbilder“

Internatsleiter, ehemaliger Spieler der deutschen Nationalmannschaft und ehrenamtlicher Leiter des eSport-Zentrums in Mannheim. Der Lebenslauf von Jonas Stratmann liest sich äußerst interessant. Dem Familienvater war damals, als er anfing Half-Life und Counter-Strike zu zocken allerdings noch nicht bewusst, wohin ihn sein Hobby einmal bringen würde.

Wie kam es zur Eröffnung des eSport-Zentrums?

Wir machen in der Region schon seit drei Jahren eSport. Angefangen haben wir mit einem kleinen Gaming Raum in Oftersheim, haben dann aber aufgrund der vielen Mitglieder und der vielen Events, neue Räumlichkeiten gesucht. Wo wir auch Veranstaltungen machen können. Nach einem dreiviertel Jahr Suche sind wir dann in Mannheim gelandet.

Zur Person

Wie habt ihr so kurz nach der Eröffnung die Corona-Krise erlebt?

Tatsächlich war unsere größte Stärke, die wir bisher hatten, nämlich das Center, erst mal unsere größte Schwäche. Viel Miete und man konnte nichts damit anfangen. Aber der eSport ist glücklicherweise schnell online zu portieren. Wir haben geplante Veranstaltungen dann einfach online gemacht. Es haben sich für uns neue Wege eröffnet. Zum Beispiel hat die Stadt Mannheim mit uns die offizielle Stadtmeisterschaft im eSport veranstaltet. Für diese Gaming-Community, die wir haben war das natürlich schade und man hat gemerkt, dass das den Leuten fehlt.

Wie sind die Rückmeldungen auf das eSport-Zentrum?

Wir stellen immer wieder fest, dass es immer noch zu wenige Leute kennen. Aber die, die uns dann kennen sind absolut begeistert. Also gerade die Location an sich ist was, was die Leute absolut begeistert und auch wenn sie sich unsere Arbeit angucken und wie wir trainieren ist jeder quasi durchweg begeistert.

Welche Spiele gibt es bei euch?

Aktuell haben wir zehn bis zwölf aktuelle Spieletitel, tatsächlich schwankt das immer so ein bisschen. Wir haben acht bis neun Kerntitel, die wir immer anbieten eSport-Klassiker. Im Endeffekt ist es davon abhängig, ob wir jemanden finden, der ehrenamtlich die Verantwortung dafür übernehmen möchte.

Jeder Spielbereich hat so wie man es aus dem klassischen Sport kennt, einen Verantwortlichen, der sich in dem Bereich auskennt und die Verantwortung dafür übernimmt. Prinzipiell sind wir offen für alle Spiele und würden sie anbieten.

Immer mehr Leute sind in Corona-Zeiten auf Aktivitäten am Computer ausgewichen: Habt ihr davon etwas gemerkt?

Die Zuschauerzahlen von den Sachen, die wir gemacht haben, waren deutlich höher. Man hat gemerkt: Es haben viel mehr Leute gespielt, es gab viele Leute, die sich für das Training bei uns interessiert haben und gesagt haben: Hey ich habe wieder angefangen zu spielen, wie kann ich besser werden oder wie kann ich was lernen? Und bei den Turnieren, die wir veranstaltet haben, hatten wir deutlich höhere Zuschauerzahlen, als wir das eigentlich bisher gewohnt waren.

Wie schauen eure Trainingspläne aus?

Es gibt für jedes Team einen festen Trainingstag vor Ort, also einen Tag an dem die Teams lokal zusammenkommen, da geht es viel um Kommunikation und das gemeinsame Training. Die Teams kommen zusammen und wärmen sich erst mal auf. Das heißt es geht meistens los, mit einer körperlichen Sporteinheit, dann spielen sich die Leute am Computer warm.

„Unsere ambitionierten Spieler, die trainieren tatsächlich täglich.“

Meistens wird ein bestimmtes Trainingsthema festgelegt, eine Strategie, die man üben möchte oder ein bestimmtes Teamtraining. Im Anschluss daran wird analysiert. Da sitzen die Spieler mit ihrem Trainer zusammen, analysieren das Spiel, reflektieren im gemeinsamen Gespräch was sie besser machen können oder wie man etwas anders machen könnte. Im Anschluss daran arbeitet der Trainer nochmal in Individualtrainingseinheiten. Sodass die Spieler ihre persönlichen Fähigkeiten weiter auszubauen.

Findet unabhängig von dem Training vor Ort auch online Training miteinander statt?

Je nach Anspruch der Spielgruppe. Wir sind so aufgebaut, dass wir den Anspruch an uns haben für jeden Spieler das passende Team zu finden. Und so wie man es aus dem klassischen Sport wie Fußball oder Handball kennt – da gibt es ja eine zweite, dritte und vierte Mannschaft. Die klassische „Bezirksligafußballtruppe“, wie ich sie gerne nenne, die trainieren nur einmal die Woche und haben am Wochenende ein Spiel aber unsere ambitionierten Spieler, die trainieren tatsächlich täglich.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?

Ein aktuelles Ziel ist die Wahrnehmung des eSport, da arbeiten wir gerade dran. Also: was passiert überhaupt, wie funktioniert eSport und was passiert in diesem Kosmos. Aber auch zu erklären und Wahrnehmung zu schärfen, dass eSport mehr ist als nur diese Bilder von großen Bühnen, die man in der Presse sieht. 

„Wenn ich mir überlege, was in den letzten drei Jahren passiert ist, dann glaube ich, dass hier in Deutschland noch ganz viel passieren kann.“

Wir wollen uns aber auch politisch mehr im Land Baden-Württemberg mehr engagieren. Wir haben hier ein Projekt geschaffen, das deutschlandweit einmalig ist und wollen Mehrwerte daraus schaffen für Stadt, Land und die ganze Region. Sportlich wollen wir noch mehr Mitglieder bei uns aufnehmen und wollen die Qualität des Trainings weiter ausarbeiten und natürlich unsere aktuelle Kooperation mit den Rhein-Neckar-Löwen ein schönes Team auf die Beine stellen um hoffentlich im nächsten Jahr die SAP-Arena mit einem eSport-Event zu füllen.

Wie schätzen Sie die eSport-Situation in Deutschland und speziell in Rhein-Neckar ein?

In Deutschland ist es so, dass die Szene wächst. Mich begleitet das Thema schon sehr lang, schon seit 20 Jahren. Aber trotzdem ist es so, dass die Experten davon sprechen, dass der eSport noch in den Kinderschuhen steckt. Wenn ich mir überlege, was in den letzten drei Jahren passiert ist, dann glaube ich, dass hier in Deutschland noch ganz viel passieren kann.

Hier in der Region bin ich auch positiv gestimmt, gerade auch bei dem Engagement wie beispielsweise der Rhein-Neckar-Löwen die sich dem Thema widmen, glaube ich einfach, dass sie es hier in der Region schaffen diesen eSport-Leuchtturm in Duetschland weiter auszubauen. Es kommen ganz viele Menschen her um sich anzuschauen, wie wir das Thema umgesetzt haben, auch immer mehr Vereine interessieren sich dafür und ich glaube wir schaffen es die Region als eSport-Region auszubauen.

Was müsste in Zukunft noch passieren?

Das leidige Thema: Die Anerkennung des eSports als Sportart, die einfach ganz wichtig ist für die Sportvereine. Das geht es nicht nur darum den eSport als gemeinnützig anzuerkennen. Gerade die Strukturen die wir geschaffen haben sind eigentlich die Strukturen die gemeinnützig sind. Wir sind nicht profitorientiert sondern wir versuchen Trainingsangebote für die Spieler aus der Nachbarschaft zu schaffen. Es ist natürlich auch wichtig, eine Gemeinnützigkeit zu haben um es zu entlohnen wie man es vom Sport kennt: die Trainerpauschale oder auch Spritgeld wenn jemand fünf Mal die Woche hin und her fährt um was für den Verein zu machen. Da ist es wichtig die Gemeinnützigkeit als Sportart zu haben. Wenn sich das etabliert, dann könnten wir uns deutlich weiter entwickeln und noch mehr schaffen.

Wie kamen Sie auf eSport?

Wie gesagt begleitet mich das Thema schon seit 20 Jahren, ich habe als Jugendlicher schon gespielt Counterstrike und was es alles gab und war zwischenzeitlich auch recht erfolgreich in eins, zwei Spieletiteln und hab immer gewechselt zwischen eSport und Gaming. Gaming hört da auf, wo’s zum kompletten Team wird. Mit der eSport-Abteilung habe ich jetzt wieder mehr angefangen mich mit dem Thema eSport auseinander zu setzen.

„Viele kennen nur die Glanzbilder.“

Es passiert so viel, aber die Wahrnehmung ist nicht da. Viele kennen nur die Glanzbilder. Sie haben von dem acht Millionen-Fortnite-Turnier gehört, aber die Basis-eSport-Arbeit ist komplett unbekannt. Und das ist schade. Wir haben zum Beispiel Kooperationen mit verschiedenen Schulen, die wir mit Computern ausgestattet haben, während der Corona-Krise haben wir gemeinsam mit dem Rotary-Club Rechner aufgefrischt und verschenkt, damit sozialschwache Mensch Zugang haben zu Online-Schooling. Das sind Themen, die nirgendwo auftauchen und man nicht mit dem eSport in Verbindung bringt. Das ist schade, da so etwas natürlich in die Diskussion ob eSport gemeinnützig ist mit reingeht. Wenn jemand natürlich nur von den Millionen hört, die man gewinnen kann, wird der nie verstehen, warum eSport auch gemeinnützig sein kann. Da würde mir auch der Zusammenhang fehlen. Aber wenn man dann unsere Strukturen sieht, und wieviele junge Menschen Zeit investieren um was zu schaffen und mit ihrem Herzensthema was zu bewegen dann ist das deutlich leichter nachzuvollziehen.

Mehr über das eSport-Zentrum erfahrt ihr auf deren Website: www.esport-rhein-neckar.de

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